Notiz des Rates der Berufsordnung
7 März 2024
Die Autorität einer Person wie einer Berufskategorie drückt sich auch in der Bereitschaft zu Selbstkritik aus. Vor diesem Hintergrund begrüßt die Journalistenkammer Trentino-Südtirol den offenen Brief, den heute mehrere Lokalverbände an Journalistinnen und Journalisten und deren Vertreter gerichtet hat. Die Kammer teilt die Empörung gegenüber denjenigen, die in ihrer journalistischen Tätigkeit die Grenzen des Rechts auf Berichterstattung und den Grundsatz des kollektiven Interesses überschreiten und beleidigende, die Opfer verachtende Inhalte veröffentlichen. Trotz zahlreicher Aufrufe und Appelle an Ethik und Verantwortungsbewusstsein ist diese Unsitte leider immer noch gang und gäbe. Gerade in den letzten Tagen gab es verzerrte, reißerische, menschenverachtende Nachrichten, die dem Disziplinarrat umgehend gemeldet wurden.
Seriöser Journalismus orientiert sich am Einheitstext über die Berufsethik sowie an den Grundsätzen anderer berufsspezifischer Dokumente, wie dem von der Istanbul-Konvention inspirierten Venedig-Manifest, für eine sorgfältige, korrekte und seriöse Information zum Phänomen der Gewalt gegen Frauen und gegen häusliche Gewalt.
Zeitdruck, Konkurrenzkampf unter den Redaktionen oder der Hang, sich damit zu rechtfertigen, dass „man es immer schon so gemacht hat", sind kein Alibi. Mittlerweile ist ein neues gesellschaftliches Bewusstsein herangereift und diesem müssen Journalistinnen und Journalisten Rechnung tragen. Ohne Ausflüchte und Vorwände.
Ein Anlass über diese Themen zu sprechen, ist insbesondere der Internationale Tag der Frauenrechte am 8. März. Der Journalistenkammer ist das Thema schon seit langem ein Anliegen. In den letzten Jahren hat sie gezielte Initiativen zur Sensibilisierung der Kolleginnen und Kollegen ergriffen und auch das Weiterbildungsangebot darauf ausgerichtet. Es wurden verschiedene, berufsspezifische Weiterbildungskurse organisiert, weitere werden in den kommenden Monaten folgen. Gemeinsam mit der regionalen Journalistengewerkschaft hat die Kammer auch ein Projekt initiiert, das sich mit der Darstellung geschlechtsspezifischer Gewalt in den Medien befasst. Die Initiative, die im Herbst vorgestellt wird, setzt sich eine respektvolle Berichterstattung über geschlechtsspezifische Themen zum Ziel.
Das reicht aber nicht. Journalistinnen und Journalisten müssen persönlich Verantwortung übernehmen. Nur dann kann auf die Wahrnehmung des Phänomens in der Öffentlichkeit Einfluss genommen und der Teufelskreis von Geschlechterstereotypen und toxischen Narrativen durchbrochen werden. Die Journalistenkammer und der Disziplinarrat erachten es als ihre Aufgabe, sich für das Thema weiterhin zu engagieren, mit Verbänden, politischen Vertreter*innen und mit der Öffentlichkeit einen konstruktiven Dialog zu führen, verantwortungsvoll und mit persönlichem und gemeinsamem Engagement.